ITT Vision der Festung der Tränen

Aus Mythopedia

Vision der Festung der Tränen

Und ich sah, einen gewaltigen Sturm toben über dem Ozean. Aeris und Aqua gleichmaßen in Aufruhr, als ob sie Beide über etwas zürnten und in ohnmächtiger Wut ihrer Macht freien lauf ließen. Doch über dem Peitschen des Windes und dem Tosen der Wellen wurde ich einer Stimme gewahr. Leise begann sie ein Lied zu singen. Ein Mann, dessen Sprache ich nicht verstand, sang ein Lied. Leise zunächst, voller Trauer und Poesie. Die Worte sind Balsam gleich, auf einer geschundenen Seele. Sie sind alt und bedeutsam. Doch erfüllt sie auch unendliches Leid. Zunächst stockte dem Sänger ab und an der Atem und die Worte brachen in seiner Kehle, doch dann gesellte sich eine zweite Stimme hinzu, die die Worte mit ihm teilte, ihre schwere Bürde mit ihm trug. Sie beide fanden Kraft und Halt aneinander. Dann trat ihnen die Stimme einer Frau bei, ungeübt im Singen doch ebenso voller Trauer und Gefühl. Dann eine vierte, eine fünfte und sechste Stimme, bis das Lied aus vielen Kehlen erklang. Kraftvoll - und doch so voller Leid. Ein Bild entstand nun in meinem Geist, ob dessen meine ruhenden Augen vergossen Tränen des Mitleids und der Trauer. Ich sah unter den grazil geschwungenen Dächern einer großen Festung einen steinernen Hof. In diesem versammelt standen in Reih' und Glied vielleicht Zwei- bis Dreihundert Männer und Frauen in blauen Uniformen. Schwerter an den Gürteln, oder Lanzen in den Händen. Bögen lagen neben ihnen auf dem Boden und Köcher voller blau gefiederter Pfeile hingen auf ihren Rücken. Vor ihnen stand ein Mann in einer prunkvollen azurblauen, schimmernden Leder-Rüstung und reckte den Versammelten wie zum Segen die Arme entgegen. Manche der Soldaten trugen nasse Kapuzen über die Köpfe gezogen, andere trotzten dem herab strömenden Regen hoch erhobenen Hauptes. Ihrer aller Kehlen entstieg das Lied. Eine Totenklage, so wurde ich mir bewusst. Ein altes, machtvolles Lied. Das ihnen viel bedeutete. Auf den Gesichtern der Soldaten sah ich erneut unendlichen Schmerz, unendliches Leid. Der Regen wusch Farben von ihnen ab und von ihren seltsam geformten Ohren. Lies sie zusammenlaufen und sich vermischen, dunkler werden, beinah schwarz. So schwarz, wie Blut bei Nacht. Blut rann an von ihren Händen zu Boden. Oder vom Boden zu ihnen herauf? Ich bin mir noch immer nicht sicher. Das Blut formte Rinnsale, dann Bäche, gleich darauf Flüsse und Ströme, die gewaltigen Wellen gleich durch den Hof rasten, welche die Soldaten zu verschlingen drohten und es doch nicht taten. Sie standen ungerührt und sangen ihre Klage. Es floss hin zu den Mauern und zum gewaltigen Tor der Festung. Durch das Tor glitt mein körperloser Blick , hinaus vor die gewaltigen Mauern. Dort sah ich hunderte von Leichen im blutigen Schlamm. Am riesigen Tor der Festung türmen sie sich auf. Männer, Frauen, Kinder. Und ich wage kaum es niederzuschreiben, auch Säuglinge lagen dort, zertrümmert und kalt. Und von der gleichen Art, wie die Soldaten. Pfeile staken aus ihren Körpern, blau gefiedert, zitternd im Wind des Sturms. Und Steine lagen neben ihren zerschlagenen Körpern, wie blutbefleckte Mahnmale ihres grausamen Todes. Dann wurde ich eins Feuerscheins gewahr, sah ich in einiger Entfernung dunkle, von Feuer geschwärzte Türme einer Stadt aufragen. Umhüllt von tosenden Flammen zerbrachen sie und fielen donnernd zu Boden. Doch für einen winzigen Augenblick , da sah ich jene Stadt von Sonne erfüllt. Vollständig und voller Leben. An einer Küste, eingebettet in eine Bucht, durchzogen von Kanälen und Brücken, erfüllt von grazilen Bauten, und schlanken Türmen, die einst im Licht der Sonne funkelten. Doch gleich darauf kehrte die Nacht zurück und Nebel stieg empor. Kalt und Nass umhüllte er die Stadt, wie ein bleiches Leichentuch. Der beißende Gestank von Rauch und Tod stieg mit ihm auf, dem Atem der Verdammnis gleich. Aeris blies den Nebel umher, bemüht seine Schleier zu zerreißen. Regen prasselte weiter herab, als ob Aqua bemüht sei ihr nach Kräften zu helfen. Doch fast schien es mir, als bewege er sich von selbst, entgegen des Willens der Elemente. Als strecke er seine Schwaden die Straße entlang zur Festung hinauf. Sie wurden länger und breiter, bis sie die gesamte Masse des abscheulichen Miasmas mit sich rissen. Es waberte, floss wie eine riesige Welle hinauf zur Festung . Unaufhaltsam. Den Tod mit sich bringend. So war mir allenthalben, als sähe ich unheilige Fratzen und Gestalten in seinen düsteren, grausamen Wogen. Verzerrte, kranke Gesichter. Sie tauchten auf und verschwanden, verschwammen zu wieder zu einer bleichen Massen, deren unendliche Kälte und widernatürlich Gier mir beinah das Herz in der Brust gefror. Der Gesang, welcher die ganze Zeit meine Ohren erfüllte, verklang. Das riesige Tor in den Mauern tat sich auf. Und heraus schritten die Krieger, die Waffen bereit zum Kampf. Sie traten dem Nebel entgegen. In jedem ihrer Schritte lag Entschlossenheit. Und auf ihren Gesichtern das Wissen um das eigene Ende. Ich erwachte, mit Tränen in den Augen. Und Worten auf dem Lippen die ich nicht verstand: ”Eldon su Jidao“ Mögen Andere diese Worte zu deuten wissen. Mythodea wird nie mehr dasselbe sein.