ITT Wie Erias dem Orden beitrat

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Wie Erias dem Orden beitrat

Die Nacht war schon längst hereingebrochen und sogar in den hell erleuchteten Hallen Orphaliots machte sich langsam die Müdigkeit bemerkbar, doch an ihm sah ich keine Erschöpfung. Wie jeden Tag und jede Nacht schien es keine Ruhe oder Schlaf für den Mann zu geben, solange die Almahandra in seiner Nähe war. Breitschultrig, groß und blond saß der schweigsame Mann nahe bei ihr, seit vielen Jahren schon war er ihr dauerhafter Begleiter. Deshalb will ich nun berichten, wie es kam, dass dieser zuvor völlig unbekannte Mann neben Orathon engster Vertrauter und ständiger Begleiter der Almahandra wurde.

Es war zu der Zeit, als Orphaliot in Siegelstatt seinen Schwur gegen die Verfemten erneuerte, seine Söhne zu Zeugen seiner Rache schmiedete und der Krieg das ganze Land in Atem hielt, als die Almahandra aufgebrochen war, um den letzten Xerikan zu finden. Nachdem die Ewigen Schwerter, durch den ersten Krieg gegen die Ratio – geschwächt und dezimiert – allesamt Orphaliot in den Kampf gefolgt waren, war die Almahandra alleine auf die Suche gegangen. Zeitgleich brach im Norden Mitrasperas ein unbekannter Mann auf, ziellos seine Reise, wie ein Blatt in den ewigen Gezeiten, ließ sich Erias, im Vertrauen auf seinen Herrn Aqua, treiben, um ihm zu dienen, hatte ihn doch schon seit einiger Zeit eine unbewusste Sehnsucht hinfortgezogen.

Schon immer war er in seinem Herzen treu Aqua und den anderen vier Elementen ergeben, auch wenn sein Zorn gegen die Zweite Schöpfung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht endgültig entfesselt war. So geschah es, dass der Herr Aqua die Schritte des damals jungen Mannes leitete und er schließlich zielgerichtet an den Ort trat, an dem seine Hilfe benötigt wurde. n dem Moment, als er jenen Ort betrat, sah er eine blonde Frau auf dem Boden sitzend, die schützend über ein kleines Mädchen gebeugt war. Zumindest ging Erias davon aus, dass die golden schimmernde Gestalt dort ein Kind sein könnte, wenngleich es tot zu sein schien. Die Frau zitterte am ganzen Leib und initiierte schnell und leise Gebete, auch wenn sie immer wieder unter Tränen abbrach. Als er nähertrat, konnte er bemerken, dass die Frau augenscheinlich versuchte, ein heilendes Gewebe im Namen der fünf sakralen Elemente um das leblose Kind zu legen. Die Augen der Frau waren geschlossen und sie wiegte das Kind in ihren Armen, irgendwann nur noch begleitet von ihren Tränen und nicht mehr zu verstehenden Gebeten. Gerade als Erias sie ansprechen wollte, öffnete das Kind die Augen und sprach etwas zu der Frau. Es begann heller zu werden und Erias musste seinen Blick abwenden, so hell strahlte das Licht. Als er die Augen wieder aufschlug und auf die Stelle richtete, sah er nur noch die Frau auf dem Boden knien und weinen, obwohl sich dennoch ein Lächeln auf ihr helles Gesicht geschlichen hatte.

Als er sie ansprach, zuckte sie kurz und öffnete ihre Augenlieder, die ihm einen Anblick von sanften goldenen Augen offenbarten. Doch sie schien ihn nicht zu erkennen, und auch als sie versuchte aufzustehen, wurde ihm klar, dass sie am Ende ihrer Kräfte sein musste, denn sie strauchelte. Als er sie schützend auffing und sie ihn berührte, spürte er den Segen seines Herrn, die Reinheit ihrer Hoffnung für das Kind und ihren tiefen Glauben an die Kral Urien. Und in diesem Moment wurde der Strom in seiner Seele endlich frei und er erkannte Mitraspera zum ersten Mal in seiner vollkommenen Schönheit. Er roch den Tau auf den Gräsern, spürte den nahenden Regen in der Wolkenpracht in Aeris unendlichen Weiten, fühlte den ewigen Kreislauf des Wasser, der alles mit neuem Leben füllte und es wieder mit sich fortriss und er erkannte, dass er diese Frau in Sicherheit bringen musste.

Schnell wurde Erias klar, dass die Ordensburg der Tivar Khar'assil unerreichbar fern war und die Frau kaum selbstständig gehen konnte. Abgesehen davon schien sie durch das Licht erblindet zu sein. Doch einmal in Bewegung gesetzt, kann der Strom nun mal nicht aufgehalten werden und so geschah es, dass Erias die Almahandra, schwach wie ein Kind und ebenso schutzlos, blind und nicht in der Lage, sich selbst zu schützen, zur Ordensburg geleitete. Zahlreiche Verfemte lagen zwischen den beiden und ihrem Ziel, doch Erias zweifelte nicht und er spürte keine Furcht. Und so kam es, dass er den einzigen Weg fand, der möglich war, und so geschah es auch, dass Erias, erblüht in neuer Frische und erfüllt von neuer Stärke, nahezu jeden Feind besiegte, der zwischen ihm und der Ordensfestung lag. Dennoch ereignete sich, was kommen musste, und die beiden wurden von zahlreichen Anhängern der Öligen Pestilenz gestellt. Er wusste, dass es zu viele waren und seine Begleiterin war noch immer zu geschwächt, um mit ihm zu kämpfen.

Er setzte sie an dem bestgeschützten Platz ab und zog seine Waffe, seinen mächtigen Zweihänder. Augenscheinlich wussten die Anhänger der Pestilenz um die Wappenfarben seiner Begleiterin, denn sie schienen nicht so sehr an ihm interessiert zu sein, wie an ihr. Dies war seine Entscheidung, entweder einen sinnlosen Tod für eine wehrlose Unbekannte zu sterbe, oder Ruhm und Ehre zu erlangen mit seiner neu gewonnen Stärke, denn für Flucht blieb noch genug Zeit. Er verschenkte keinen Blick mehr an die Frau, denn er brauchte keine Bestärkung in seiner Entscheidung. Wenn er nur einen Anhänger der Pestilenz vernichtete, war seinem Herrn gedient – das musste genug Ehre für ihn sein. Er zog ein letztes Mal sein Schwert und warf sich mit seinem ganzen Körper, seiner Seele und seinem neu entfachten Glauben in den Kampf.

Viele Feinde erschlug Erias, Blut und Eiter spritzten über den Platz, Pestbeulen platzten unter seinen Hieben und der modrige Gestank der infizierten Feinde strömte auf den Kampfplatz. Doch trotz seinem unbändigen Kampfwillen unterlag Erias. Zahlreiche Wunden zeichneten seinen Körper und grünlicher Schleim troff von seinem Schwert, als er schließlich zusammenbrach. Die letzten Feinde stürmten auf die wehrlose Frau zu und waren kurz davor, sie zu erreichen. Erias spürte das Blut wie Wasser aus seinem Körper fließen, sein Blick wurde trüb und die kühlende Taubheit schlich sich bereits an seinen Knochen entlang, als Erias ein Stoßgebet zu seinem Herrn sandte, mit dem ehrlichen Wunsch, zumindest das Leben der Frau verschont zu sehen.

Die selbstlose Tat zum höheren Wohl im Angesicht des eigenen Todes war es wohl, die Aqua dazu bewog, Erias seinen Segen zu spenden, denn der Krieger erhob sich, trotz der zahlreichen Wunden, wie eine Woge, um die restlichen Feinde vom Antlitz Mitrasperas hinfortzuspülen.

Sein Schwert durchbohrte den ersten Mann, der Hand an die Almahandra legen wollte und tötete mit einem wuchtigen Schlag den zweiten Mann neben ihr. Die letzten Anhänger der Öligen Pestilenz wollten ihr Heil in der Flucht suchen, doch auch sie wurden vom Glauben und der neu gewonnenen Stärke Erias' mitgerissen. Schließlich obsiegte der Krieger und schwor noch in derselben Stunde den Eid zum Wohl der Weltenkinder und wurde fortan nur noch in der Gegenwart der Almahandra gesehen.