Spielwelt(en): | Mitraspera |
Urheber:innen: | Lena Weber |
Mitwirkende: | |
Jahr: | 2008 |
Ein Traum von...
Die hier beschriebene Geschichte ist eine Niederschrift eines Traumes, der so echt wirkte als wäre er wirklich. Ich glaube ein Teil davon ist es auch. Einiges davon vielleicht auch nicht. Aber wer vermag schon zu sagen, was davon falsch und was richtig ist? Der Sturm ebbte langsam ab, wurde vom herankommenden Tag abgelöst. Maite sog die vom Regen geschwängerte kühle Morgeluft ein. Sie roch nach Erde, feucht und schwer. Von den herumstehenden Bäumen rannen letzte Regentropfen in den Kupferkessel, der vor dem Fenster stand. Ein metallenes Plaetschern mischte sich mit dem Knistern und Knacken der im Ofen liegenden Glut. Der Junge, vielleicht 13 Jahre alt, rieb sich den Schlaf aus den Augen und blinzelte in die aufgehende Sonne, die durch das Fenster schien. Stöhnend und keuchend richtete er sich von seiner strohgedeckten Bettstatt auf. Er streckte sich ein wenig, reckte die Hände gegen die lehmigen Wände. Dann tauchte er die schwieligen, von Arbeit geschundenen Hände in einen Eimer kalten Wassers. Grob und fahrig stieg er danach in seine einfache leicht zerschlissene Arbeitshose und das braune, lederne Wams sowie die ausgetretenen Stiefel. Er seufzte leise und machte sich auf den Weg ins Freie. Er nahm sich einen Brotkanten, den er lustlos vor den Augen drehte, vom Küchentisch herunter.
Mit langen Zaähnen biss er hinein und riss energisch ein Stück ab. Es war zäh und begann hart zu werden. Aber er war wenigstens nicht schimmlig von der feuchten Luft geworden. Sie hatten nicht viel, also musste seine Familie mit dem auskommen, was er verdiente. Früher war das anders, als der Vater noch in der Armee des Archon gedient hatte. Er wurde gut entlohnt. Als er jedoch im Kampf fiel, reichte das, was die Familie als Entschädigung bekommen hatten nicht lange, obwohl sie sparsam damit umgingen. Von dem Verlust des dreifachen Vaters und Ehemannes ganz zu schweigen.
Seitdem musste Maite jeden Kupfer hart verdienen, um sich, seiner Mutter und den zwei jüngeren Brüdern zumindest Nahrung kaufen zu können. Seine Mutter versuchte mit Klöppelarbeiten mitzuhelfen, die sie den ganzen Tag über anfertigte. Sein Bruder Jolnas, gerade einmal 5 Sommer alt, half ihr dabei indem er das Garn aufwickelte. Der jüngste, Tilius, tollte seit er laufen konnte meist im Raum herum. Als Maite nach draußen kam sah er seine Familie im Gemüsebeet die letzten Rüben aus der feuchten Erde ziehen. Er drückte ein trübes ”Morgen“ raus und ging eher missmutig Richtung des Dorfes, das sich vor kurzem gebildet hatte, wie an anderen Orten Mitrasperas als der Krieg begann. Maite hatte Arbeit bei einem Schmied gefunden. In Kriegszeiten gab es reichlich zu tun. Trotzdem bekam er nur einen Hungerlohn, der gerade so ausreichte. Er lernte jedoch einiges dabei, was ihm vielleicht spaeter einmal hilfreich sein könnte, von der Schmiedekunst. Meistens verbrachte er den Tag aber mit einfachen Hilfstätigkeiten oder Botengängen.
Die Wälder und Wiesen waren deutlich vom Sturm der letzten Nacht gezeichnet. Der Weg war voller Laub und Ästen, zeit weilen zierte auch ein umgestürzter Baum den Pfad. Maite brauchte länger als sonst, was seinen Meister, einem kräftigen Mann, verärgerte. Er scholt den Jungen, war jedoch nach einer Erklärung nachsichtig und scheuchte ihn wie immer durch die Werkstatt. Der Tag verging wie jeder andere auch, bis es am späten Abend schon beinahe zu dunkel war, um weiter zu arbeiten. Sie waren gerade dabei Feierabend zu machen, als ein großer verhüllter Mann die Tür aufstieß. Er rief nach dem Besitzer, und schlug die Kapuze herunter. Ein bleiches, vernarbtes Gesicht mit langen strähnigen Haaren kam zum Vorschein. Das dunkle Gewand war schmutzig, man erkannte jedoch seinen ursprünglichen Wert. Er trug einen Gürtel, dessen Schnalle mit einem Schädel verziert war. Barsch wurde Maite aus dem Raum geschickt, während er verdutzt vor dem Fremden stand und ihn angestarrt hatte. Widerwillig ging der Junge aus dem Raum, nicht ohne noch einen Blick auf diesen seltsamen Mann zu werfen. Er hörte nicht, was sie sprachen. Aber sein Meister schickte ihn nach etwa einer halben Stunde nach Hause. Er gab ihm ein Silberstück , mehr Lohn als Maite in einer ganzen Woche verdiente. Der Fremde habe eine große Menge Waffen bestellt, sie würden lange viel zu tun haben und Maite solle fortan pünktlich sein.
Die folgenden Wochen waren sie eifrig am arbeiten. Bis zu jenem Tag im Sommer, als der Schmied einen großen Karren voller Waffen packte und dem dunkelhaarigen Jungen auftrug sie zur Feste Doerchgard zu bringen. Die Feste war fast eine Tagesreise entfernt, sodass Maite sich schon im Dämmerlicht des nächsten Morgens aufmachte. Die Fahrt auf der holprigen Straße würde er in jedem Knochen und jedem Muskel merken, da war er sich sicher. Die Sonne brannte heiß auf ihn hernieder und das Geklirre des Metalls machte ihn schon nach kurzer Zeit fast verrückt. Erst als es schon dunkel war, erblickte er vor sich die Mauern, die er zu erreichen versucht hatte. Die Nacht war plötzlich von Stimmengewirr erfuellt. Die Fackeln, die sich an den Mauern entlang bewegten, verrieten die Betriebsamkeit und das wache Auge der Patrouillen. Maite fürchtete sich. Seine Hände waren kalt und zitterten. Das Zugtier war irrtiert von seinen Bewegungen und schnaubte ungeduldig. Wobei dies auch vom dumpfen Grollen das von der Festung ausging herrühren konnte. Im Dunkeln waren die Wachen am Tor kaum zu erkennen. Stotternd nannte Maite seinen Namen und was er wollte. Nachdem er die Schmiedewerke gezeigt hatte, wurde er eingelassen. Das Tor ging auf und vor Maite schien sich eine andere Welt zu öffnen.
Seine Angst verflog. Sie wurde zu Respekt und Neugier. Ein in Lumpen gehüllter Geselle nahm die Zügel seines Tieres und führte es, sodass der junge Besucher genug Zeit hatte sich umzusehen. Geschäftiges Treiben überall, wild umherlaufende Kreaturen. Weiter hinten dachte er gesehen zu haben wie eine riesige Masse an Fleischteilen sich von selbst bewegen konnte, woraufhin umstehende Menschen jubelten. Überall wurde gehämmert und gezimmert, woran man erkennen konnte, dass die Außenmauern eben erst fertig geworden sein mussten. Sie wurden zu einem hölzernen Unterstand gefahren. Ein stolz aber grob schreitender Mann kam auf ihn zugeeilt. Seine Haut war stark vernarbt, das konnte man selbst im fahlen Fackellicht erkennen. Er blickte Maite an, beachtete ihn aber nicht weiter, sondern zog die Plane vom Wagen herunter. Prüfend sah er die einzelnen Waffen an, nahm einige heraus und fuhr mit den Fingern über Schneiden und Griffe. Er wog sie in der Hand und bekundete schließlich barsch, dass er mit der Arbeit zufrieden sei. Wortlos nickte er einem an der Seite stehenden Wachmann zu und drehte sich auf dem Absatz herum. Die Wache trat an Maite heran. Dieser schaute ihn fragend an. Ohne dass der Junge sich wehren konnte, packte der Mann ihn und riss seinen Arm so herum, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Er legte ihm Fesseln an. Maite schrie wütend auf, trat um sich. Doch ehe er es sich versah, war er nicht mehr in der Lage sich zu rühren. Sein ganzer Körper schmerzte, er wusste nicht was geschah.
Erst als er in eine Ecke geschleudert wurde merkte er, dass der Schmerz nachließ, wenn er auch von dem eines dumpfen Aufpralls seines Körpers ersetzt wurde. Sie hatten ihn einfach so überwältigt und in eine Ecke der Festungsanlage abgestellt. Großartig bewegen konnte er sich nicht, da er an Händen und Füßen gefesselt war. Er lag auf dem Bauch und seine Knie waren angewinkelt und mit einem Strick an seinem Hals befestigt worden. Wenn er versuchen würde sich zu befreien, würde er sich wohl selbst erwürgen. Er wusste nicht warum, aber denken konnte er es sich. Die Waffenlieferung war groß und teuer. Es war nicht viel vorrausgezahlt worden. Sein Schmiedemeister wurde gerade um eine Menge Geld betrogen und er würde wohl als Sklave gehalten werden. So dachte er zumindest eine Weile während er so dalag und ihn die Wut übermannte, bis er in Tränen ausbrach.
Irgendwann tauchte eine schleichend gebückt gehende kleine Person auf. Sie prüfte ihn, murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Schließlich nestelte sie an ihrer Tasche herum, schien nach kurzer Zeit gefunden zu haben, was sie suchte und ging mit erhobenem Messer auf Maite zu. Seine Augen weiteten sich, er spannte die Hände zu Fäusten an, sodass die Knöchel weiß hervor traten. Doch er war ihr unterlegen, nicht in der Lage sich zu wehren. Die Frau hielt ihm das Messer an die Kehle, sah ihm in die Augen, grinste debil und schnitt mit einem Ruck an Maites Hals entlang. Dieser hatte die Luft angehalten und atmete nun stoßweise aus. Die seltsame Frau mit den schwarz braunen Kleidern hatte ihm die Fesseln am Hals abgeschnitten und half ihm nun auch aus den restlichen Stricken heraus. Er richtete sich schwerfällig auf. Sie griff grob nach seinem Kinn, riss seinen Kopf zu sich herum. ”Du wirst mir ein guter Junge sein, was?“, sagte sie und zerrte grob an ihm herum. Sie schleifte ihn zu einer groben Behausung und sperrte die Türe ab. ”Ab sofort wirst du mir dienen. Nur mir allein. Dich wird niemand zu Gesicht bekommen. Fuer deine Mühen wirst du eines Tages vielleicht mit der Freiheit belohnt.“
So vergingen die Tage und Wochen. Maite lernte schnell wie seine Herrin lebte und was sie wünschte. Meist war er damit beschäftigt, Dinge zu säubern oder zu reparieren. Irgendwann aber befand sie, er könne auch schwierigere Aufgaben erledigen. So ließ sie ihn in einen bis dahin verschlossenen Raum und wies ihn an, Schriftzeichen von Pergamenten abzuschreiben. Maite konnte zwar lesen, doch die Zeichen waren ihm völlig unbekannt. Er schrieb sie einfach ab, begann aber bald einen Sinn in der Abfolge zu erkennen. Nach einigenWochen des stupiden Abnotierens gewann er sogar ein wenig Freude daran so zu arbeiten. Was störte ihn denn auch hier? Na gut, er war gefangen in einer engen Behausung. Aber er hatte genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und eigentlich auch sonst alles, was er sich wünschen konnte. Vielleicht stand ja sogar etwas Brauchbares in diesen Schriften, das er zu seinem Vorteil verwenden konnte. Er hatte bis jetzt noch nicht herausgefunden, wo er eigentlich war. Er war seit seiner Gefangennahme niemandem außer seiner Herrin mehr begegnet. Und diese hatte zumeist eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
So widmete er, während der langen einsamen Stunden des Abschreibens, seine Studien auch auf den Inhalt. Er erkannte, dass es sich einfach um andere Zeichen fuer jedes das er kannte handelte. Auf einem gesonderten Papier notierte er sich die Zeichen und übersetzte dann gedanklich jede Schrift. Bald schon konnte er alles flüssig lesen. Und dies tat er auch. Er schrieb geschwind alles ab und hatte dann noch genug Zeit, sich selbst weiterzubilden. Manches mal ging es um Kampftechniken, oder über Wachpläne. Zeitweilen entdeckte er aber auch Gedichte, oder solche die anmuteten etwas in der Art zu sein. Es könnten auch Spruchformeln sein, überlegte er bald und versuchte aus den Inhalten zu erkennen für was sie gut waren. Nicht immer war dies möglich, doch an einigen Stellen sehr wohl zu erkennen. Er überlegte die Zauber anzuwenden, vielleicht um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Doch ihm war nie die Möglichkeit gegeben worden etwas über Magie oder ihre Anwendung zu lernen. So musste er sich weiter mit den Theorien der Sprüche auseinandersetzen.
Seine Herrin schöpfte nie Verdacht ob seiner Heimlichtuereien. Lediglich seine gute Laune bemerkte sie. Maite wusste nicht wie lange er schon dort war, als er eines Morgens eine lange und sauber geschriebene Rolle Pergament fand, aus deren ersten Zeilen er erkennen konnte das die grundsätzliche Anwendung von Magie darauf beschrieben war. Voller Neugierde las er jede einzelne Zeile. Bis zum Mittag hatte er jeden Satz mindestens zwei Male gelesen und wusste bald, so war er sich sicher, alles in und auswendig was darin stand. Doch zum Ausprobieren ließ er sich Zeit bis zum nächsten Tag. Zu unsicher war es um diese Zeit, da seine Herrin jederzeit wiederkommen konnte. Aufgeregt ging er zu Bett nachdem er für das Abendmahl gesorgt hatte, das er immer alleine zu sich nahm, weil seine Herrin erst seine Arbeit kontrollierte. Er sollte die Nacht nur wenig schlafen können, voller Gedanken sich hin und her wälzend. Als er am nächsten Tag sicher war allein zu sein, zog er sich in den Schriftraum zurück und räumte den Tisch frei.
Er begann, suchte sich einen Spruch heraus, wählte einen wie es für ihn schien recht leichten. Ein Lichtzauber sollte das erste sein, was er versuchen wollte. Er folgte den Anweisungen, die er so oft gelesen hatte Schritt für Schritt und rief die eine Kraftquelle an, die in allen Texten immer wieder beschrieben war. Er wusste zwar nicht ,was es genau war, aber er suchte in seiner Umgebung mithilfe seiner Worte nach den Energien des Nechathon. Kaum hatte er seine Suche begonnen, so ergoss sich schon eine Flut von Energien über ihn, die er nicht zu bändigen in der Lage war. Es zerriss ihn beinahe in Stücke ob der schieren Menge an Kraft, die durch seinen Körper ging. Von seinen Fußspitzen über seinen Torsos bis in seine Fingerspitzen, aus denen ein Lichtblitz herausschoß, der das ganze Zimmer erleuchtete. Es zog an seinen Kräften und er meinte zu explodieren. Doch irgendwie schaffte er es, die Flut mit seinen Worten zu beschwichtigen. Er lag zitternd am Boden. Sein Körper fühlte sich ausgelaugt und schwerfällig an. So als könnte er ihn nur mühsam bewegen. Und er fühlte sich auch von seinem Herz her anders. So als hätte er sich verändert. Mühsam stand er auf, betrachtete dabei seine Hand die sich am Boden abstützen wollte und erschrak. Er sah aus wie die Gestalten, die er bei seiner Ankunft gesehen hatte. Bleich und leblos. Verzweifelt griff er an seinen Wams, um zu fühlen ob er noch lebte, ob sein Herz noch schlug. Doch das einzige, was er fühlte war Kälte.