ITT Neruhn Sturmreiter und Klais Windbringer

Aus Mythopedia

Neruhn stand im zurückgeschlagenen Zelteingang und der Schatten auf seinem Gesicht schien seine ohnehin schon bittere Miene weiter zu verfinstern. Trotz all dem Dreck und all dem Blut, das nach einem solchen Tag an seiner sonst so luftig weißen Kleidung eines Naldar-Offiziers haftete und seine Angeschlagenheit unterstrich, war er noch immer ein stattlicher Naldar-Krieger.

"Ich kann nicht mehr länger warten. Ich werde mit meinen Schwingen jetzt aufbrechen. Komm mit oder lass es bleiben." Neruhns Stimme klang bestimmt, aber angespannt.

"Ich werde das Leben meiner Männer nicht für solch ein Himmalfahrstkommando riskiern. Die heutige Schlacht war blutig genug" entgegnete Klais, während er sich seine Hände in der bereit stehenden Wasserschale wusch.

"...und Perias kannte das Risiko einer solchen Mission" setze er nach.

"Er ist unser Sturmreiter, verdammt! Und er war immer wie ein Vater zu uns. Wie kannst du ihn jetzt im Stich lassen, Feigling." Neruhn drehte sich um und verließ erzürnt Klais' Zelt.

"Was du Feigheit nennst, nenne ich Besonnenheit. Und was dir mutig erscheint, ist nichts anderes als verantwortungloser Leichtsinn." Klais Worte blieben von Neruhn ungehört, aber Klais kannte Neruhn gut genug um zu wissen, dass seine Worte ohnehin nichts mehr an Neruhns Entscheidung hätten ändern können.

Klais wunsch sich den Staub aus dem Gesicht, schälte sich aus seiner leichten Rüstung und sank erschöpft in sein Lager aus Kissen.

Mit einem hatte Neruhn recht: Perias war für Neruhn und ihn immer ein Mentor gewesen, seit dem Tag, als sie beide zusammen in die Reihen der Windreiter aufgenommen wurden. Wie viele Jahre ist es nun schon her, dass sie als junge Hüter zu den Ouai geschickt wurden. Wie Brüder waren sie seither aufgewachsen und gingen zusammen ihren Weg - so unterschiedlich ihre Charaktere auch waren. Für beide war es schließlich die grösste Ehre, als sie den Dienst unter Perias Sturmreiter antraten und dieser sie am Ende gar zu seiner linken und rechten Hand machte.

Und nun war er in grösster Lebensgefahr, eingekesselt von den Schergen des Sharuhn'Ar in einem kleinen Seitental. Dabei schien Perias' Plan so einfach. Neruhn und Klais sollten die Hauptmacht der stolzen Naldar-Armee das Tal der tausend Winde entlang gegen die Truppen des Schwarzen Eis führen und somit deren Aufmerksamkeit auf sich lenken. Währenddessen nahm Perias Sturmreiter seine Schwingen und führte sie durchs komplexe Höhlensystem der angrenzenden Berge, um schließlich in einem kleinen Seitental hinter den feindlichen Reihen wieder Aeris Atem zu spüren. Es lief alles wie erhofft.

Neruhn und Klais konnten die Hauptmacht des Schwarzen Eis wie erwartet in diesem gebirgigen Terrain binden und sie in unzählige kleinere Gefechte verwickeln, während es Perias gelang den Feind im wahrsten Sinn des Wortes zu unterwandern.

Doch dann kam das böse Erwachen. Perias hatte die Rechnung ohne Ottar-kan gemacht, der es mit Hilfe der Viinshar gelungen war, von seinem Plan zu erfahren. Und kaum hatte er mit seinen Windreitern das Höhlensystem verlassen, heftete sich ein ganzer Schwarm an ihre Fersen. Auf diesen Augenblick hatten die Rakh nur gewartet. Die Rufe der Vo'kaleph - "er ist das Auge" - und die monotone Antwort aller Rakh - "wir sind der Sturm" - müssen für die Naldar, abgeschnitten von jeglicher Hilfe, wie die Verkündung des Todesurteils vor der Hinrichtung geklungen haben.

In Klais Kopf hallten die selben Worte wider - "Wir sind der Sturm!" - bevor ihn die Müdigkeit schließlich übermannte.

Jäh wurde Klais aus seinem unruhigen Schlaf geweckt.

"Herr, Perias ist tot" drang eine aufgebrachte Stimme von draußen hinein in sein Zelt. "Unser Sturmreiter ist gefallen!"

Wie die Stiche von tausend Nadeln holten diese Worte Klais innert Sekunden schmerzlich zurück aus der Welt der Träume. "Konnte er denn den Ritus Rekorpora nicht vollziehen?" Klais Körper schmerzte von den Strapazen der letzten Tage, aber dennoch zwang er sich hoch und erhob sich behende von seinem Schlafplatz.

"Viinshar!" kam die knappe, aber alles erklärende Antwort.

"Und Neruhn?" Klais gelang es nur knapp seine Fassung zu bewahren.

"Liegt im Tempel der Vestalinnen!"

Klais schlug kraftlos das Eingangstuch seines Zeltes beiseite und wurde von der aufgehenden Sonne empfangen, während er nun raschen Schrittes dem Weg zum Tempel folgte.

Perias Sturmreiter war tatsächlich gefallen und selbst Neruhns Selbstmordkommando konnte nichts mehr daran ändern. Im Gegenteil, ein Drittel von Neruhns besten Maennern opferten sich, um wenigstens ihm die "Flucht" ins Lager der Naldar oder besser gesagt in den Tempel der Vestalinnen zu ermöglichen. Ein neuer Sturmreiter würde erkoren werden und die Wahl würde entweder auf Neruhn oder auf ihn selber fallen, soviel war Klais klar.

Noch am selben Tag verließ Klais daraufhin das Lager der Truppen. In diesen Zeiten war es der Mut eines Mannes wie Neruhn, der die Söhne und Töchter der Winde auf dem Schlachtfeld im Kampf gegen die Verfemten zu beflügeln wusste. Seine eigene Bedachtsamkeit würde Klais und den Naldar mehr bringen auf dem Schauplatz der Diplomatie, denn auf dem Schlachtfeld im Angesicht des Todes. ...und so trennten sich damals ihre Wege!