ITT Tagebuch eines Edalphi

Aus Mythopedia
Spielwelt(en):Mitraspera
Urheber:innen:Anne Wagner, Christian Wagner, Olav Möhring
Mitwirkende:-
Jahr:2013

Tagebuch eines Edalphi

78. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Ich, Halyris, habe mich nun doch dazu entschlossen meine persönlichen Gedanken, die ganz allein die meinen sind, hier im Geheimen festzuhalten. Auch wenn es mir ein wenig vorkommt, als würde ich damit Kanehro hintergehen, so ist es doch im Moment mein Wunsch die eine oder andere persönliche Überlegung ganz für mich zu haben, wenn ich denn schon sonst alles andere mit ihm teile. Das Gefühl, in jedem Moment beobachtete zu werden, beengt mich in letzter Zeit ein wenig. Eine kleine Sammlung persönlicher Gedanken wird mir etwas Freiraum schaffen.

93. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Gerade ist er wieder zur Ruhe gegangen, die Kampfesübungen haben uns beide erschöpft. Vielleicht mag dies der Grund sein, dass ich in letzter Zeit so gern das Kräftegefecht übe, da er stets danach ein Weilchen schläft. Ich genieße die Zeit, da ich meinen Leib und meine Gedanken ganz für mich habe, immer mehr.

145. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Es fällt mir nicht leicht, das Wissen um dieses Büchlein zu verbergen, gestern wäre er bei einer gemeinsamen Überlegung über die Bücherverwaltung im Skriptorium fast auf die Erinnerung daran gestoßen. Ich muss sie noch tiefer unter unwichtigem Wissen verbergen und am besten eine Verbindung zu dem Befreiungsgefühl schaffen, das ich empfinde, wenn ich allein bin, so dass sie erst dann überhaupt ins Bewusstsein rückt.

173. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Gestern führten wir ein interessantes Gespräch mit Relahja und ihrer Kiánah über das Verhältnis unserer beider Völker. Relahja scheint erstaunlicher Weise sehr ähnlich dies bezüglich zu empfinden und zu denken wie ich. Auch wenn Kanehro es nicht bemerkte, so wusste ich doch gut die leisen Andeutungen zu lesen und mehr zu verstehen als unsere Eliondar. Eigentlich ist es eine Lächerlichkeit daraus ein Geheimnis zu machen, ist es doch im Grunde jedem von uns bewusst, dass die Edalphi viel mehr zu dem gemeinsamen Daseinspakt beisteuern als das körperlose Geschwistervolk. Doch irgendetwas scheint uns alle davon abzuhalten, diese Überlegung laut zu denken, oder gar auszusprechen.

189. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Wir wohnten gestern, wie schon so oft, dem Fest der Vereinigung bei. 48 jungen Edalphi und Eliondar wurde die Verbindung zuteil. Die Worte, die gesungen wurden waren alt, die gleichen wie jedes Mal, doch klangen sie an diesem Tage hohl für mich, denn mir ist wohl bewusst, dass die schönen Phrasen von ”Glücksseligkeit der Verbindung¨und „erschaffergegebener Einigkeit” nur Fassade sind. Wie viele der Vereinigten es wohl wirklich gewollt haben? Welch eine Lüge wir doch leben! Doch wer von uns wollte, andersherum gedacht, schon auf die Vorzüge der Verbindung verzichten? Wer wollte freiwillig machtlos und jämmerlich beschränkt sein Dasein fristen, wie es unser Volk in den primitiven Zeiten kurz nach seiner Erschaffung tat? Wie sollten wir unseren erhabenen Herrschern denn angemessen dienen und unseren Daseinszweck erfüllen, ohne die Kraft der Eliondar?

217. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Dies ist das erste Mal seit Tagen, dass ich eine kurze Gelegenheit finde zu schreiben. Die Kopfschmerzen lassen langsam nach, doch die seelischen Qualen halten an. Ich war so ein Narr Kanehro zu vertrauen! Als ich mich entschied nicht länger zu schweigen und ihm klar zu machen, dass er es sein sollte, der mir Demut und Dankbarkeit schuldet, da mein Körper es ist, der für ihn Isst, atmet, läuft und lebt, war er außer sich. Es schien als habe ich mit meinen wohl berechtigten Gedanken etwas in ihm getroffen, das sein innerstes Wesen verletzte. Fast entbrannte ein Kampf zwischen unseren Persönlichkeiten, wie ich es noch nie erlebt hatte. Seelische Schmerzen plagen mich seither. Schuld, Angst und bohrender Zweifel. Hat er sie mir eingepflanzt? Ich fühle mich wie ein Verräter an meinem Volk und der gesamten Schöpfung. Wie kann er es wagen mich so zu quälen und zu bestrafen?

314. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne

Etwas seltsames und gleichzeitig Hoffnung spendendes ist geschehen: 3 Monde ist der große Streit nun her und ich hatte mich schon fast wieder ganz in meine Rolle als geistiger Knecht gefügt. Es scheint jedoch, dass es noch Andere gibt, viele Andere, die mit ihrem Schicksal hadern und nicht bereit sind, sich weiterhin fremdbestimmen zu lassen. Diese mutigen Edalphi, die selbst natürlich auch unter der Vereinigung leiden, haben sich öffentlich geäußert und das Thema zur Diskussion gestellt. Was mich, und wohl auch viele andere erstaunte, war der Umstand, dass es kaum Widerspruch gab, außer natürlich von den Eliondar selbst, welche sich entsetzt und enttäuscht gaben. Viele Edalphi jedoch taten, zumindest zaghaft, Zustimmung kund. Kanehro ist wohl beunruhigt, vermutlich weil er weiß, das ich nach der geistigen Demütigung durch ihn ahne, was die wahre Natur der Eliondar ist: Magische Schmarotzer und Parasiten!

88. Tag im 5. Jahr der dunklen Sonne

Nachdem es nun mehrere Monate sind, die das Eliondarbeherrschungsproblem nun diskutiert worden ist, geschehen endlich Dinge, welche uns voran bringen! Die Entwicklung der Werkzeuge und Waffen des Geistes schreitet gut voran, und schon bald wird es sicher möglich sein ganz gezielt Bereiche der Erinnerung und des Denkens im Geiste jedes Edalphis für Eliondar zu sperren, so das diese nicht mehr ihre bisherigen ”Wirte“ ausspionieren und kontrollieren können. Ich selbst habe bereits gelernt, gezielt die Ruhephasen Kanehros zu verlängern, und habe so viel mehr Zeit für meine eigenen Gedanken. Beunruhigend ist jedoch, dass sich langsam die Sorge breit macht, die Eliondar könnten sich untereinander heimlich beraten und eine Verschwörung beginnen, um die Freiheitsbewegung der Edalphi zu unterwandern. Auch wenn ich mir dies nur schwerlich vorstellen kann, sollten wir doch vorbereitet sein, falls sie plötzlich zuschlagen.

208. Tag im 4. Jahr der dunklen Sonne,

1. Tag im 1. Jahr der Befreiung

Was für ein Tag! Endlich ist unser Volk frei. Diesen Eintrag will ich nicht nur für mich schreiben, sondern auch damit sich die kommenden Generationen dieses großen Momentes unserer Geschichte erinnern. Es begann mit dem Besuch eines Gesandten der Herren eines Elementes, das noch jung und unbekannt ist, das aber, nach allem was wir hören, schnell an Macht gewonnen, und viele Anhänger haben soll. ”Ratio“ ist sein Name, und es soll noch größere Wunder als Magica möglich machen. In diesen Zeiten, in denen ganz Mitraspera nach Vorn schaut, und die Herren der Völker um die Gestaltung der Welt im Wettstreit liegen, muss man gewiss solch einer Kraft höchsten Respekt zollen. Der Gesandte lud uns zu Bund und Freundschaft mit den Herren der Ratio ein und machte darüber hinaus gar dem ganzen Volk der Edalphi das Angebot, dieses als Diener aufzunehmen, denn da die Ratioherrscher wohl sehr weise sind, sahen sie, dass die Edalphi unter der Knechtschaft des Magicavolkes der Eliondar litten. Als der Gesandte uns dann noch offenbarte, dass den Edalphi große Macht zu Teil würde, jenseits aller Vorstellungskraft und frei von der Abhängigkeit durch die Eliondar - durch sein fantastisches Element nämlich - war für die meisten die Entscheidung klar. Die Eliondar protestierten freilich und flehten, dies sei ein „böser Weg“, unsere Völker seien füreinander bestimmt und was wir begingen sei „Verrat an Magica“ und der Schöpfung. Doch sie besaßen keine Macht mehr über uns und ihr erbärmliches Geschwätz vermochte nur noch wenige einzulullen. Viele trennten sich ohne Umschweife von den Eliondar, so auch ich. Die, die nicht freiwillig gingen, haben wir mit den Waffen des Geistes aus unseren Körpern hinausgejagt. Wie ein Schwarm panischer Irrlichter trieben wir sie heute Nacht durch die Straßen und über die Felder davon, wo sie geisterhaft klagend in der Ferne verschwanden und dahinflohen um hoffentlich für immer zu verschwinden. Einige Dummköpfe gab es zwar, beschämender Weise, auch unter den Edalphi, die sich nicht von den Parasiten trennen wollten. Doch da diese offensichtlich nicht Herr ihrer Sinne waren, wurde ihnen die Entscheidung durch ihre Brüder abgenommen. Welch ein Gefühl, endlich frei zu sein, endlich alleiniger Herr meines Körpers zu sein. Welche große und glückliche Zukunft mein Volk nun erwartet!

78. Tag im 23. Jahr der verschlingenden Wogen

Fast hätte ich vergessen das dieses Büchlein noch immer mein ist. Wenn ich es heute wieder lese, überkommt mich tiefe Weh- und Schwermut. Viele Jahre ist es nun her, dass wir uns alle Ratio anschlossen und die Eliondar verstießen. Jahre in denen wir nur geschuftet und gewartet haben. Anfangs war alles wie versprochen, unsere neuen Herren zeigten sich großzügig und lehrten uns die Beherrschung ihres neuen Elements, doch blieb die versprochene Macht aus. Einige unter uns waren selbst ohne Eliondar noch lange in der Lage durch Magica Grö- ßeres zu vollbringen, als durch die neuen Kräfte. Man versicherte uns, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Wissenschaft unserer Herren dafür eine Lösung fände und erforscht wird an uns wahrlich viel, doch bisher anscheinend ohne Ergebnisse. Zumindest kann niemand behaupten, die Edalphi hätten ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten. Wir haben gut gedient und dienen gut. Obwohl uns wohl bewusst war, dass sich unser Volk erst seinen Platz unter den vielfältigen Dienern Ratios würde erarbeiten müssen, war wohl keiner von uns darauf vorbereitet was das bedeutet. Es sind stets die niedrigsten Dinge, die wir zu tun haben, und seit der Krieg gegen die unbelehrbaren Anhänger der alten Elemente angefangen hat, ist dies nicht besser geworden. Doch das alles ertrage ich gern, wenn sie nur endlich dafür sorgen, dass das furchtbare Gefühl der inneren Leere und Unvollständigkeit weicht. Dort wo sich früher Kanehros Seele warm und vertraut an die meine schmiegte, ist jetzt nur noch schwarzes Nichts und nagender Zweifel... Ich muss inne halten. Meine Pflichten rufen. Diese neuartigen Golemgeschöpfe, die unser Heer seit kurzem unbesiegbar machen und die den seltsamen Namen ”Xerikan“ tragen, kehren aus der Schlacht zurück, und es ist an mir sie von dem Blut und Resten der unbelehrbaren Eisernen zu reinigen...

258. Tag im 23. Jahr der verschlingenden Wogen

Ich habe mich bereitgestellt an den Experimenten zur ”Machtsteigerung“ meines Volkes teilzunehmen. Wenn ich auch dabei vergehen mag, können vielleicht wenigstens andere bald wieder seelische Erfüllung finden und vielleicht dann auch endlich in der Hierarchie aufsteigen. Wie ich leidet unser ganzes Volk inzwischen unter der Unvollständigkeit, die uns in den Wahnsinn treibt, so schlimm, dass viele schon versucht sind, ihrem Leben durch eigene Hand ein Ende zu setzen. Man hat uns versichert, dass die Gelehrten ganz kurz davor stünden eine Methode zu erfinden, das Loch in unserem Wesen direkt mit der Macht Ratios auszufüllen! Ich selbst bin langsam bereit jede Qual zu ertragen, wenn ich mich dafür nur wieder ganz fühlen darf. Manchmal wünsche ich, so einfältig das auch klingen mag, Kanehro wäre wieder bei mir, und das alles wäre nie passiert...

279. Tag im 23. Jahr der verschlingenden Wogen

Ewige Weltenkinder! Erbarmt Euch der Seelen unseres armen Volkes! Wir wurden betrogen! Was haben wir nur getan? Endlos habe ich die Qualen der Experimente über mich ergehen lassen müssen, in jenen Stätten, die sie ”Hallen des Fortschritts“ nennen, welche aber in Wahrheit Folterkammern und Schlachthäuser sind. Nun weiß ich, weshalb so viele unseres Volkes gebraucht werden. Jeder stirbt hier, gemartert und wahnsinnig nach endlosen Torturen. Wenn sie auch unsere Körper unangetastet lassen, für das, was sie unseren Seelen und unserem Verstand antun, gibt es keine Worte und dankbar war ich jedes mal, wenn gnädige Ohnmacht mich umfing. Das schlimmste aber ist, dass ich hörte wie sich die gelehrten Peiniger über unser Volk , die unaussprechliche wahre Natur Ratios und die finsteren Pläne ihrer Herrscher unterhielten, für die sie uns zu benutzen gedenken. Ganz ungeniert sprachen sie, denn wer einmal hier drin gefangen ist, der wird gewisslich nie mehr Gelegenheit haben es weiter zu verraten. Sie wünschen den Zweifel der Ratio fest in uns zu verankern, wo früher die Eliondar ihren Platz hatten, um uns zum Volk Ratios zu machen! Doch dies kann nicht sein, denn wo eine Seele wohnt, kann sich Ratios Macht nicht festsetzen. Darum versuchen sie die Seelen aus uns herauszupressen, oder so zu martern, zu korrumpieren und umzubauen, dass das Unmögliche möglich wird. Ich sah unzählige Edalphi an dieser grausigen Prozedur wahnsinnig werden und der Tod kam als gnädiger Erlöser zu ihnen. Und ich bin einer der nächsten... Wir sind hier wie Vieh... wie Dinge, wie eine Masse die man langsam verbraucht und dann fortwirft. Und nun weiß ich auch: sie haben dies alles schändlich von Anfang an geplant! Es war der Zweifel der Ratio, den sie schleichend in unsere Herzen säten, der Zwietracht zwischen uns und die Eliondar bringen sollte, um uns Glauben zu machen diese seien unsere Feinde, wo sie doch in Wahrheit ein Teil unserer selbst waren, solange bis wir sie verrieten. Das ”großzügige“ Angebot, uns Ratio anzuschließen, war wohl geplant, und genau zum überlegten Zeitpunkt ausgesprochen. Es war eine Falle und unser ganzes Volk ist hineingetappt. Wehe mir - heilige Elemente, Quihen Assil, vergebt meinem Volk. Kanehro, vergib mir. Gnädige Mutter Terra! Rette meine Seele! Sie kommen. Sie holen mich...

Mein Name ist Vahero. Ich habe Halyris nie gekannt. Sein Tagebuch bekam ich in diesem Kerker von jemand anderem geschenkt. Der hatte seinen eigenen Namen vergessen, aber wollte unbedingt dass das Buch gerettet wird. Er ist bald darauf wohl gestorben. Zumindest hoffe ich das für ihn. Das Buch muss wohl schon längere Zeit von Gefangenem zu Gefangenem weitergegeben worden sein. Indem ich mich Wahnsinnig gestellt habe, konnte ich erreichen ausgesondert und zum sterben fortgebracht zu werden. Auf den Wahnsinn folgt nämlich immer bald der Tod. Ich bin entkommen und weiss nicht wie. Da war plötzlich eine Stimme und eine offene Luke im Boden und dann Wind um mich herum und ...Licht. Als ich wieder zu mir gekommen bin lag ich unverletzt ganz allein am Fuss dieser himmelhohen Festungsmauer ...und bin frei! Da sitze ich jetzt.

Oh je... die Schmerzen kommen wieder...

...Es wird immer schlimmer. Ich bekomme kaum Luft. Vielleicht überlebe ich den nächsten Anfall nicht. Was haben die mit mir gemacht? Was habe die mit uns allen gemacht? Auch wenn ich nicht lang genug lebe um das zu verstehen, dieses Buch muss zu meinem Volk zurück. Die Edalphi müssen erfahren was hier passiert und dass sie betrogen wurden. Wenn ich mich nur erinnern könnte wo ich bin.

Oh, Elemente, was haben wir nur getan?