ITT Briefwechsel zum Urr'katum

Aus Mythopedia
Spielwelt(en):Kelriothar
Urheber:innen: Christian Wagner
Mitwirkende:-
Jahr:2016

Briefwechsel zum Urr'Katum

Allerwertester Ohm,

wie geht es Euch an der Enneagesimae Akademie Quihen Tiash'a? Ach, wie ich wünschte, wir würden uns häufiger sehen und ich könnte von Euren reichen Erfahrungen schöpfen, so wie in meinen Lehrjahren zur Ouai. Das waren mir kostbare Zeiten und ich zehre tagein tagaus von den Erfahrungen, die Ihr mich lehrtet.

Vielleicht ist es Euch bereits zu Ohren gekommen. Nach einigen Jahren in der weißen Oase wurde ich vor etwas mehr als drei Jahren in den Westen beordert. Hier diene ich der Nyame des westlichen Verwaltungsbezirkes und der halefischen Wälder, Hüterin der Tränenazalea, Thul'jun Quantai, Camiira Cali'Car. Die Arbeit in ihrem Beraterforum der Elementtheorie ist über alle Maße aufregend und fordert mich jeden Tag. Die Herrin stellt die höchsten Ansprüche und ist unnachgiebig streng, wenn Anfragen nicht zu ihrer Zufriedenheit beantwortet werden können. Doch die Mitglieder des Forums sind großartige Kollegen und wir stacheln uns gegenseitig dazu auf die Erwartungen der Nyame stets zu übertreffen.

Im Rahmen meiner Forschung schreibe ich Euch, geschätzter Ohm. Die Sephor der hohe Herrin, Eran'Challa hat mir aufgetragen in Erfahrung zu bringen, ob es Mittel und Wege gibt die Lebensspanne eines Wesens zu bestimmen und zu erkunden wie darauf Einfluss genommen werden kann. In den Bibliotheken bin ich auf den Begriff Urr'Katum gestoßen, der als ein wenig bekannter Aspekt des Seins bezeichnet wurde. Über diese Erkenntnis war ich doch mehr als erstaunt, war es zudem auch nicht mögliche weitere Informationen über diesen Aspekt zu finden, weder in der Kernbibliothek des Westbezirks, noch am Konvent zu Jiratan und auch nicht in den Schrifthallen der weißen Oase. Nun habe ich Euch als einen der besten Kenner der Aspekttheorie schätzen gelernt und weiß, dass an der Quihen Tiash'a allerlei neue Erkenntnisse gewonnen werden. Könnt ihr mir weiterhelfen?

Ich verbleibe mit allerherzlichsten Wünschen,

Jenninca Graniicin


Meine liebste Jenninca,

ach, welch Freude von Dir einen Brief zu erhalten und zu lesen, welche große Entwicklungen Du machst. Es ehrt mich sehr, dass Du meiner Lehre auch einen kleinen Teil zu Deinem Erfolg beimisst.

Ich habe versucht zu Deiner Frage ein paar Antworten zu finden und hoffe Dir helfen zu können. Du solltest aber wissen, dass ich aufgrund des Bundes deiner Herrin hier nichts davon erwähnt habe, für welchen Zweck ich dieses Wissen benötige. Den Name Orphaliot hört man hier nicht allzu gerne, wie Du Dir vorstellen kannst. Also sei bitte auch vorsichtig damit zu erzählen, woher Du Dein Wissen erlangt hast.

Es ist vollkommen richtig, dass zu Urr'Katum bislang nur wenige Forschungsergebnisse vorliegen, ebenso wie mit dem damit in direkter Korrelation stehenden Dir'Katum. Wir gehen hier sogar davon aus, dass es vermutlich nicht gelingen wird dieses Mysterium jeh endgültig zu lüften. Was wir bislang darüber wissen ist sehr dürftig. Scheinbar wird jedem Wesen über ein fundamentales kosmologisches Gesetz eine persönliche Lebenszeit zugeordnet, die sich mit fortschreitendem Verlauf seiner Existenz zunehmend verbraucht. Wir haben dabei mit großen Mühen gewisse Regelmäßigkeiten zwischen verschiedenen Rassen und Völkern festgestellt. Urr'Katum kann am ehesten als eine Kraftressource verstanden werden, auf deren vorhandene Menge im Lo-Uttan wir bislang nur wenig Einflussmöglichkeiten finden konnten. Ist das Urr'Katum verbraucht, sterben wir eines, wie wir so sagen, eines kreisläufigen Todes.

Dir'Katum ist eine Ressource, die sich folglich aus dem Urr'Katum speist. Sie existiert im Kahat und ist dabei hochgradig vulnerabel. Man könnte vermutlich sagen, dass das Dir'Katum als eine Form von temporärer Lebenskraft zu verstehen ist. Bisher hält sich die These, dass ein erhöhter Verbrauch von Dir'Katum durch einen höheren Verbrauch von Urr'Katum ausgeglichen wird. Bei Langzeitexperimenten mit sehr kurzlebigen Lebewesen haben wir festgestellt, dass extrem extensive Lebensstile, harte Arbeit, viele Kämpfe und Verletzungen zu deutlich kürzerer Lebenszeit führen. Freilich haben wir bislang keine unwiderlegbaren Beweise der direkten Korrelation zwischen Urr'Katum und Dir'Katum finden können, aber die vorgenannte ist die bislang gängigste Theorie.

Die Forschungen über das überaus fragile Kronos-Konzept, Begrifflichkeiten wie Strömung und Taktung beinhaltend und deren Manifestationen in den Aspekten des Seins verlaufen unter der Führung der Zwischenlebenden und Orkanwelle der Lüfte, eine ehrfürchtige Rakh'hail namens Lho'Pentaphaiell.

Verzeihe, auch wenn Du meine liebste Nichte bist, muss ich Dir sagen, dass ich alle weiteren Informationen nur herausgeben darf, wenn Du mir gestattest Deine Anfrage an die Großen des Zweifels weiterleiten zu dürfen. Die Führung der Gottschöpfer folgt doch sehr strikten Regeln. Aber ich lüge nicht, wenn ich Dir sage, dass allein die Einblicke in die Forschungsergebnisse der Schülerinnen und Schüler selbst für ein ganzes Leben voller Strafen belohnen würden.

Und ganz persönlich kann ich nicht umhin zu fragen, wieso gerade dieser Aspekt so überaus interessant für Deine Herrin erscheint? Sicherlich sind die Forschungen an Batodd und Jo'Kor deutlich vielversprechender und aufschlussreicher. Außerdem scheint es mir auch, als dass es auf diesem Bereich die größten Einflußmöglichkeiten gibt.

Mit vollem Stolz erfüllt, wünsche ich Dir alle Weisheit der Herren der Tiefe.

Dein Icnoyotl Filaanoyan


Oh Icnoyotl, wenn ich Euch nicht hätte. Ihr seid mir so eine große Hilfe und ein Vorbild.

Bitte verzeiht, dass ich mich so lange nicht bei Euch gemeldet habe. Eure Informationen stießen auf mannigfaltiges Interesse und tatsächlich glaube ich, dass wir ebenfalls Hinweise darüber erhalten haben, dass Euer vermuteter Zusammenhang zwischen Urr'Katum und Dir'Katum der Realität entspricht. Wir haben nun begonnen über vergleichende Blutproben erste Erfahrungen mit der Bestimmung des persönlichen Urr'Katum zu machen. Allerdings unterstützen diese zwar die Grundthese, vermögen diese aber noch nicht zu beweisen, da besagter alchemistischer Ansatz nur eine indirekte Messung der Zielgröße ermöglicht. Lasst mich mit Euch unsere Erkenntnisse teilen und bitte erspart mir, liebster Ohm, dass Ihr die Gründe meiner Anfrage Euren Herren offenbart. Es würde vermutlich das Ende meiner Beschäftigung oder womöglich gar meines Lebens bedeuten, wenn Eran'Calla erführe, wessen Geist diese Erkenntnisse entsprungen sind.

Es ist mir so eine Wohltat für die Hüterin der Tränenazalea zu wirken. In ihrer Nähe fühlt selbst der einsamste Naldar aus den tiefsten Steppen ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme. Erst vor wenigen Tagen wurde uns die Ehre zuteil ein Festmahl zu Ehren ihres Sohnes Khordarion mit der Herrscherin selbst zu feiern. Sie liebt ihre eigenen Kinder so sehr, in allen Tälern und Hügeln der Smaragdsänger habe man so eine Liebe noch nie gesehen. Das jedenfalls erzählte mir ein Dichter, der neben mir saß. Jedenfalls waren alle Diener, Schülerinnen und Schüler eingeladen, egal welcher Rasse. Ihr Sohn war den weiten Weg aus dem Süden angereist, wo er an der Seite der Nyame sicherlich auch viele andere wichtige Aufgaben nachzukommen hatte. Der Abend war einfach wundervoll. Es spielten in ganz klassischer Formation 17 Edalphi auf den Sinialharfen und Opalflöten eine Symphonie mit dem Titel „Sterne des Südens“. Die Harmonien waren so zart und gefühlvoll, sogar Khordarion musste eine Träne vergießen. Und erst die Speisen: Man hatte die begabtesten Köche der Linesti herbeigeholt, die die exquisitesten Zutaten aller Siegel darreichten. Von höchster Güte! Vor lauter Ehrfurcht traute sich niemand zu essen, solange die Nyame im Raum war. Von meinem Platz konnte ich Ihr Antlitz genau beobachten. Mit wachen Augen nahm sie die Zurückhaltung ihrer Diener wahr und ein ganz zartes Lächeln umstreichelte ihre Mundwinkel. Sie trat auf einen Lona zu, der offenbar in ihrem Wachdienst arbeitete und wie versteinert auf seinem Stuhl saß. Mit zwei oder drei kurzen Sätzen zu diesem Soldaten lockerte sie wie durch Zauberhand die Stimmung auf, wie von den Kristallfürsten aus dem Raum gefegt war die gezwungene Atmosphäre. Die Thul'jun Quantai sprach noch einen Segen auf die Herrlichkeit der Ewigen und das Fest danach war einfach prächtig. Das sind Dinge, die möchte ich einfach nicht genommen bekommen. Gerne teile ich alles mit Euch, was Euch interessiert, aber die Spannungen in der Familie zum Umgang mit den Ereignissen an der Quihen Tiash'a sind stündlich spürbar und ich möchte diese ungern reizen.

Jetzt habe ich aber so lange ausgeholt, eigentlich wollte ich Euch doch von unseren Untersuchungen berichten. Mit Hilfe diverser Substanzien haben wir unterschiedliche Blutprobe derselben Exemplarwesen genommen und glauben in diesen tatsächlich durch Sequenzstudien eine Veränderung des Urr'Katum feststellen zu können. Eine Abschrift der Zahlenwerte unserer Versuche lege ich Euch diesem Brief anbei. Verzeiht bitte, dass diese Ansammlungen von Messungen einen eher wirren Eindruck machen. Es ist bisher nicht gelungen eine Skala zu definieren, die für alle Wesen gültig ist. Nur bei wirklich sehr ähnlichen Individueen nähern sich die Messparameter brauchbar an, eine Notwendigkeit für vergleichbare Untersuchungen, könnte man doch sonst nur ein Wesen mit sich selbst bewerten.

Viel erstaunlicher ist aber, welch verheerende Wirkung ein Leben in großer Verantwortung für die Welt zu haben scheint. In vergleichenden Testreihen mit Wesen in unterschiedlich hoher Relevanz für den Fortbestand der Schöpfung konnten wir teilweise riesige Unterschiede im Verbrauch des Urr'Katum feststellen. Wir hatten das große Glück eine Akata in der Studie zu haben, die im Laufe der Beobachtungen von einer Novizin zu einer Hohepriesterin aufgestiegen war und der es gelang nach Dekaden des Stillstandes endlich wieder die Glut des Lebens in der Hauptstadt zu entfachen. Diese Tat schien ihr Urr'Katum um ein Vielfaches mehr zu reduzieren, wie bei einem vergleichbaren Wesen. Das tut mir so leid für sie, ich wünsche ihr das Beste und dennoch ein langes Leben. Bisher haben wir noch keine Möglichkeiten gefunden um das Urr'Katum positiv zu beeinflussen. Gänzlich untätig zu bleiben und nutzlos für die Schöpfung zu sein scheint jedenfalls auch keine signifikanten Veränderungen zu bewirken.

Können wir uns denn sehen, wenn Tamijana ihre Ernennung zur Meisterin feiern wird? Ich denke doch, Ihr habt auch eine Einladung erhalten, oder? Da ich weiß, wie gerne Ihr Gedichte mögt, habe ich euch eines beigefügt, welches aus der Feder des Herren stammt, von dem ich kurz berichtete.

Eure Jenninca


Liebste Nichte, wacher Geist,

die Werte und Zahlen Deines letzten Briefes konnten für schiere Begeisterungen hier im Kollegium sorgen. Das sind wirklich bahnbrechende Fortschritte. Wir können gerne auf der Feier von Tamijana etwas mehr darüber sprechen. Jedenfalls plane ich fest damit zu kommen.

Tatsächlich kann ich Dir ein paar Neuigkeiten mitteilen, was die Forschungen zur Erhöhung des Urr'Katum-Vorrates betrifft. Diese werden Dich vermutlich nicht sonderlich erfreuen. Es scheint nämlich so zu sein, dass diese, durch kosmologische Gesetzmäßigkeiten festgelegte, Urr'Katum-Menge unveränderlich in seiner absoluten Größe ist. Wir vermuten, dass dies in dem Zusammenhang mit dem äußerst komplexen Konzept des Khaibit stehen mag, einem Aspekt des Seins, der bisher selbst von den größten der Gottschöpfer nicht verändert werden konnte.

Einzig mit Versuchen den Verbrauch der vorhandenen Urr'Katum-Menge zu reduzieren, konnten wir leichte Fortschritte machen. Die in ihrer elementaren Ordnung besonders ausgeglichenen Ouai beispielsweise scheinen durch ihre stark ausgeprägte innere Ruhe in geringerem Maße Urr'Katum zu verbrauchen als vergleichbare Subjekte. Auch konnten wir temporär feststellen, dass durch das exogene Zuführen von alchimistischer oder magischer Stärkung des Kahat die temporäre Menge an Dir'Katum künstlich erhöht werden kann. Diese überschüssige Lebenskraft wird dann zwar schneller verbraucht, mindert aber in der Summe die Umwandlung von Urr'Katum in Dir'Katum. Möglicherweise wäre ein solches Vorgehen, dauerhaft durchgeführt, dazu geeignet die effektive Lebenszeit tatsächlich um ein geringes Vielfaches zu verlängern. Aber der Aufwand wäre erheblich.

Es gibt hier aber eine andere Entwicklung, die für Dich gegebenenfalls von Interesse sein könnte. Ein Schüler namens Gerchow Pariwal entwickelt gerade einen Gedanken zu Ende, durch welchen höchst wahrscheinlich die Gesetze des ewigen Kreislaufes durchbrochen werden könnten. Einen Auszug aus dem Manuskript seiner ersten Studienergebnisse werde ich Dir schnellstmöglich zukommen lassen.

Achso, das hätte ich fast vergessen. Du musst Dir keine Sorgen um Deine Identität machen, das kann ich Dir versprechen. Der junge Herr, der den Boteneingang an der Enneagesimae Akademie verwaltet, ist mir noch etwas schuldig und wird sicherlich sich nicht wagen in einen meiner Briefe zu sehen.

Bis in sieben Wochen, ich freue mich Dich endlich wieder einmal zu sehen.

Dein Ohm und größter Bewunderer

Icnoyotl Filaanoyan